Agentic AI
Vom Prompt zum Partner
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Lesezeit: ca. 7 Minuten
KI-Agenten sind proaktive, lernfähige Systeme – im Gegensatz zur rein reaktiven GenAI.
Sie arbeiten eigenständig in Zyklen: wahrnehmen, entscheiden, handeln, lernen.
Einsatzmöglichkeiten reichen von Copilot-Assistenten über Prozess- und Workflowautomatisierung bis zu KI-nativen Unternehmen
Agenten lassen sich orchestrieren, um komplexe Aufgaben kollaborativ zu lösen.
Beispiele: Recruiting-Bots, Code-Modernisierung, autonome Marketingkampagnen, dynamische Preisgestaltung.
"KI-Agenten? Zu komplex, das nutze ich doch eh nicht"
Wenn Sie jemals mit einem Kundenservice-Chatbot interagiert oder ein generatives KI-Modell wie etwa ChatGPT gebeten haben, eine nette Grußbotschaft für einen Kollegen zu schreiben, kennen Sie bereits eine grundlegende Version von KI-Agenten. Falls Ihnen aufgefallen ist, dass sich die Leistung generativer KI seit der Einführung von ChatGPT im November 2022 spürbar verbessert hat, liegen Sie richtig.
Obwohl Varianten von KI-Agenten seit Jahren existieren, haben die heutigen Modelle dank ihrer Fähigkeiten zur Verarbeitung natürlicher Sprache neue Möglichkeiten eröffnet. Diese ermöglichen es Agentic AI Systemen zu planen, zusammenzuarbeiten, Aufgaben zu erledigen und ihre eigene Leistung kontinuierlich zu verbessern. Mit zunehmender Genauigkeit der Agents können Unternehmen zunehmend organisatorische Prozesse automatisieren und die tägliche Arbeit der Mitarbeiter effizienter gestalten.
Die jüngsten Entwicklungen in kurz- und langfristigen Gedächtnisstrukturen (sog. "Kontextfenstern" und vektorähnlichen Datenbankstrukturen) ermöglichen diesen Agents, Interaktionen mit externen und internen Nutzern besser zu personalisieren. Dadurch verbessern sie sich rasch in jeder ihnen übertragenen Aufgabe und entwickeln sich von reinen Denkwerkzeugen zu aktionsorientierten Anwendungen.
Die wesentliche Unterscheidung zwischen generativer KI und agentischer KI liegt in ihrer Reaktionsweise: Generative KI reagiert auf Eingaben der Nutzer (sog. „Prompts“) und handelt somit reaktiv, während agentische KI proaktiv agiert und Aufgaben übernimmt. Obwohl beide Systeme auf Basis von Prompts arbeiten, folgen Agents einem eigenständigen Ablauf, der vier Hauptschritte umfasst: 1. Wahrnehmen (perceive), 2. Entscheiden (decide), 3. Ausführen (execute), 4. Lernen aus den Ergebnissen und zurück zur Wahrnehmung.
Dieser Zyklus läuft weitgehend autonom und erfordert nur minimale menschliche Intervention. Große Sprachmodelle (LLMs) sind dabei die treibende Kraft und fungieren als zentrale "Reasoning Engine" hinter Agentic AI. Während generative KI bei jedem Schritt eine menschliche Intervention und Prompting benötigt, entfaltet Agentic AI insbesondere in komplexen, mehrstufigen Prozessen ihre volle Stärke. Einfache Eingaben genügen oft bereits, um das System zielführend zu steuern. Somit bildet die generative KI den „kognitiven Motor“, der agentische Systeme antreibt. Es steckt also reichlich GenAI in Agentic AI.
In den letzten 18 Monaten haben Unternehmen wie Google, Microsoft und OpenAI erhebliche Investitionen in Softwarebibliotheken und Frameworks zur Unterstützung agentischer Funktionen getätigt. Anwendungen wie Microsoft Copilot, Amazon Q und Googles Project Astra, basierend auf großen Sprachmodellen (LLMs), verschieben den Schwerpunkt von wissensbasierten zu aktionsbasierten Tools. Bald könnten KI-Agenten genauso alltäglich sein wie mobile Apps heute.
Individuelle Unterstützung („Copilot“-Agenten): Diese dienen als Copiloten für individuelle Nutzer und zielen darauf ab, die Produktivität und Fähigkeiten der jeweiligen Person zu steigern. Beispiele sind Microsofts 365 Copilot und OpenAIs ChatGPT, die beim Erstellen von Inhalten, Schreiben von Code oder Abrufen von Informationen unterstützen. Manchmal fungieren sie auch als intelligente Assistenten, die speziell auf den Workflow des Nutzers zugeschnitten sind. Dieses können CustomGPTs oder die unglücklich benannten MS Copilot Agents sein - welche im Grunde genommen keine Agents sind.
Workflow-Automatisierungsplattformen: Diese Agenten konzentrieren sich auf die Automatisierung einzelner oder mehrstufiger Aufgaben und kleinerer Workflows und fungieren als KI-gestützte Prozess-Orchestratoren und -Ausführer bestehender Abläufe. Beispiele sind Microsoft Copilot Studio und Salesforce Agentforce. Auf Plattformen wie Microsoft Power Automate, Make.com oder dem zuletzt sehr erfolgreichen Open Source Plattform N8N lassen sich diese Prozesse mit einfachsten Mitteln und GenAI-Elementen automatisieren.
Domänenspezifische generative KI-Agenten: Diese Lösungen sind speziell für bestimmte Geschäftsbereiche oder Funktionen entwickelt. Beispiele sind KI-gestützte Kundenservicesysteme oder KI-basierte Softwareentwicklungsprozesse. Domänenspezifische Agents gestalten einen bestimmten Bereich neu, indem KI den Kern der Lösung bildet, im Gegensatz zu "traditionellen" KI-Agenten, die KI-Elemente lediglich bestehenden Rollen oder Workflows hinzufügen.
Virtuelle KI-Mitarbeiter: Diese Agenten fungieren als Mitarbeiter oder Teammitglieder und sind potenziell besonders disruptiv. Virtuelle Mitarbeiter können es Unternehmen ermöglichen, umfassende organisatorische Veränderungen zu umgehen, indem KI innerhalb des bestehenden Betriebsmodells arbeitet. Stellen Sie sich vor, ein mittelständisches Unternehmen beschäftigt einen virtuellen Marketing-Kollegen: Dieser erstellt Kampagnen, optimiert sie in Echtzeit basierend auf Nutzerverhalten und gibt Feedback an das Vertriebsteam – und zwar rund um die Uhr, in fünf Sprachen gleichzeitig.
Diese KI-Agenten schließen einander nicht aus. Viele Organisationen setzen auf eine Kombination aus persönlichen Copiloten, Workflow-Automatisierungen und virtuellen Mitarbeitern.
Betrachten wir die Möglichkeiten agentischer KI einmal aus einer praktischen Perspektive: Unternehmen stehen heute oft vor komplexen Herausforderungen, bei denen klassische regelbasierte Systeme an ihre Grenzen stoßen – sei es durch unvorhersehbare Kundensituationen, fragmentierte Softwarelandschaften oder schwer fassbare Arbeitsprozesse. Genau hier entfalten KI-Agenten ihr Potenzial.
Diese Agenten sind deutlich flexibler als starre Regelwerke. Sie können auf unerwartete Situationen reagieren – etwa wenn ein Kunde ein ungewöhnliches Problem schildert, für das es keine vordefinierte Lösung gibt. Während herkömmliche Systeme hier aussteigen, improvisiert der KI-Agent mithilfe seines gelernten Weltwissens einfach weiter.
Sie lassen sich mit einfacher Sprache steuern. Man benötigt keine Entwicklerteams oder komplexe IT-Projekte, um einen neuen Workflow aufzusetzen. Stattdessen reicht ein klar formulierter Auftrag – und der Agent setzt ihn eigenständig um.
Sie funktionieren mit bereits existierender Software. Sie docken an APIs an, ziehen Informationen aus Excel-Dateien oder bedienen sich eigenständig aus Datenbanken – ohne dass man ganze Systeme neu bauen muss.
Besonders spannend: Diese Agenten lassen sich nicht nur einzeln einsetzen – sie können als System zusammenarbeiten. Jeder Agent übernimmt dabei eine klar definierte Spezialistenrolle, wird von anderen Agenten überprüft, kritisiert und ergänzt. So entsteht ein selbstkorrigierendes Netzwerk, das Aufgaben nicht nur effizient, sondern auch mit hoher Qualität erledigt.
HR-Chatbots im Recruiting und Onboarding: Ein KI-Agent beantwortet rund um die Uhr Bewerberfragen, koordiniert automatisch Vorstellungsgespräche und sortiert Bewerbungsunterlagen vor. Ein weiterer übernimmt das Onboarding neuer Mitarbeitender, erklärt interne Abläufe, organisiert IT-Zugänge und hilft sogar bei der ersten Gehaltsabrechnung.
Altsysteme modernisieren: In vielen Unternehmen existiert noch Code aus einer längst vergessenen Ära. Ein Agent analysiert diesen alten Code, ein zweiter schreibt ihn neu, ein dritter prüft die Qualität – und das alles iterativ, bis die Software wieder auf dem neuesten Stand ist.
Marketingkampagnen entwickeln: Vom ersten Entwurf bis zur Auslieferung: Ein Agent entwickelt kreative Konzepte, ein anderer analysiert Zielgruppen, ein dritter schreibt Werbetexte und ein vierter erstellt Visuals. Alles orchestriert durch einen digitalen Projektmanager – ohne dass ein einziges Meeting nötig wäre.
Diese Beispiele zeigen: KI-Agenten sind nicht nur ein weiteres Tool. Sie sind ein neues Betriebssystem für die Wirtschaft. Und wer sie richtig einsetzt, spielt nicht mehr im alten Spiel – sondern schreibt die Regeln neu.
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Quellen (u.a.)
What is an AI agent and how will they impact the world? | McKinsey
AI Agents and AI Assistants: A Contrast in Function
Generative vs Agentic AI: Shaping the Future of AI Collaboration
Was sind KI-Agents? Definition, Beispiele und Arten | Google Cloud